Am 10. Dezember 1936 übernahm die Rheinische Zellwolle AG (RZW) das Fabrikgelände des heutigen Turm- Centers in Siegburg. 1937 begann man in den Gebäuden, die bereits 1928 von der Bemberg AG errichteten – aber aufgrund der Weltwirtschaftskrise nie in Betrieb genommenen – Gebäuden mit der Fertigung von Zellwolle, einer aus Zellulose (Holz) hergestellten, spinnbaren Faser.
Für die Produktion benötigte man viel Wasser, das die RZW aus eigenen Brunnen und der Sieg, später auch aus der Wahnbach-Talsperre bezog. Große Wasserbehälter im Turm auf dem Fabrikgelände gewährleisteten stets einen genügenden Wasservorrat und entsprechenden Druck in den Leitungen.
Der Fertigungsprozess begann in der vierten Etage des Hauptgebäudes, wohin man die Zellstoffballen mit einem Aufzug beförderte. Nach einem Bad in Ätznatronlauge presste man die Lauge ab und die gelöste Zellulose fiel zur weiteren Vearbeitung in die Etage darunter.
Ausnahmezustand in Zeiten des Krieges
Während des Zweiten Weltkrieges war Naturwolle sehr knapp und Zellwolle daher ein gefragtes Gut. Sie wurde für die Uniformen für das Heeres ebenso benötigt wie für den zivilen Bedarf. Der Energiebedarf für die gesamte Produktion war enorm. Das Kesselhaus lieferte über die dampfbetriebenen Turbinen den Strom. Den Dampf nutzte man anschließend zur Deckung des Wärmebedarfes.
1940 schlossen sich die Rheinische Zellwolle AG und die Hamburger PHRIX AG zusammen, was aber nichts daran änderte, dass das Siegburger Werk zunächst nur noch bis Dezember 1944 produzierte. Als kriegswichtig eingestuft arbeiteten hier im Zweiten Weltkrieg mehr als 3.000 Zwangsarbeiter. Zum Kriegsende wurde die Produktion eingestellt und erst im September 1948 wieder aufgenommen.
Vom Wirtschaftswunder zur Globalisierung
Am Ende der 1960er Jahre stellte man im Phrix-Werk Siegburg auch Folien her, was mangels Rentabilität aber rasch wieder eingestellt wurde. 1968 wurde die BASF, Ludwigshafen, zur Muttergesellschaft der Phrix-Werke AG. Doch mittlerweile war es – durch alternative Produktionsverfahren und das Anwachsen internationaler Konkurrenz – um die Wirtschaftlichkeit der Produktion schlecht gestellt. Nicht nur in Siegburg, sondern auch an anderen Phrix-Standorten wie Krefeld und Neumünster. Schließlich wurde 1971 die Produktion eingestellt. 1650 Mitarbeiter mussten entlassen werden.
Erst Jahre später, durch unser gestiegenes Umweltbewusstsein, stellte sich heraus, dass die bei der Produktion von Zellwolle entstandenen Abfallstoffe nicht fachgerecht entsorgt worden waren. Die Altlasten mussten in mehreren Tätigkeitsstufen beseitigt werden.
Quelle: »Die Zellwolle in Siegburg«, Alois Richarz in Fundgrube Vergangenheit, Aufsätze zur Stadtgeschichte, Band V, Schriftreihe Beiträge zur Stadtgeschichte, Heft 36, S. 67 ff., Stadtarchiv Sankt Augustin (Hrsg.), 2001 Rheinlandia Verlag, ISBN 3-935005-20-2